ClientEarth
26. September 2019
Anwälte haben eine Beschwerde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegen den Energieversorgungskonzern RWE erhoben. In der Beschwerde geht es um eine Mitteilung des Konzerns vom vergangenen Jahr, in deren Folge der Börsenwert des Konzerns um über 1,0 Mrd. Euro sank.
ClientEarth macht geltend, das Unternehmen habe die Auswirkungen einer Gerichtsentscheidung überbewertet. Das Gericht hatte im Oktober 2018 entschieden, dass der Hambacher Forst für den Braunkohletagebau vorläufig nicht gefällt werden dürfe.
Die Anwälte haben die BaFin gebeten, die irreführenden und damit möglicherweise rechtswidrigen Angaben zu untersuchen. Die international tätige Anwaltskanzlei Hausfeld vertritt ClientEarth in der Sache.
Peter Barnett, Anwalt von ClientEarth, sagt: „Die Rentabilität der Braunkohlesparte von RWE ist rückläufig, aber nicht aufgrund des Gerichtsurteils aus dem vergangenen Jahr. Die Behauptung, dass die Gerichtsentscheidung zum Hambacher Forst das Konzernergebnis in der den Anlegern mitgeteilten Höhe beeinträchtigen würde, ist nicht stichhaltig.
„Wir haben die BaFin informiert, um eine Prüfung der Behauptungen von RWE sicherzustellen. Anleger müssen korrekte Informationen erhalten, auf deren Grundlage sie Entscheidungen treffen können.“
RWE, einer der führenden Konzerne im Bereich der deutschen Braunkohleindustrie, teilte seinen Anlegern am 5. Oktober 2018 mit, dass das Urteil das Konzernergebnis “jährlich mit einem niedrigen dreistelligen Millionen Euro Betrag“ belasten würde, da die Kohleförderung im Tagebau Hambach voraussichtlich gedrosselt werde müsse.
Der Aktienkurs des Konzerns ist nach der Entscheidung des Gerichts und der anschließenden Mitteilung drastisch gesunken.
Ein Gutachten des unabhängigen Energieberatungsunternehmens Energy Brainpool, das in der Beschwerde von ClientEarth an die Regulierungsbehörde zitiert wird, legt nahe, dass der Inhalt der Mitteilung des Konzerns eine große Übertreibung darstellte und die Entscheidung des Gerichts keine wesentlichen Auswirkungen auf das Konzernergebnis haben würde. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Braunkohlennachfrage ohnehin schrumpft: Das Unternehmen muss im Rahmen der sog. „Sicherheitsbereitschaft“ bis 2019 fünf Kraftwerksblöcke in die Bereitschaft überführen und später stilllegen, die in der Vergangenheit rund 11 Millionen Tonnen Kohle jährlich nachfragten.
Barnett fügt hinzu: "Die Rentabilität von Deutschlands Braunkohlesparte bricht ein. Dies muss RWE seinen Anlegern offen und ehrlich kommunizieren – und keine unbegründeten Behauptungen aufstellen, die ein falsches Bild des Marktes zeichnen.”
"Da die Bundesregierung für den Kohleausstieg die Entschädigung von Kohlekraftwerksbetreibern in Erwägung zieht, liegt es im Interesse aller – und ist rechtlich unabdingbar – dass korrekte Zahlen diskutiert werden.“
Prof. Dr. Hermann Ott, Leiter des deutschen Büros von ClientEarth, sagt: „Es gibt eine Reihe von grundlegenden Fragen zur künftigen Ausrichtung des deutschen Energiemarktes. Mit Versuchen den Kohleausstieg hinauszuzögern oder Forderungen nach hohen Ausgleichszahlungen verschließt RWE die Augen vor der ökonomischen Realität der sinkenden Nachfrage nach Kohle.
"Es wäre eine grobe Pflichtverletzung wenn die Bundesregierung einer ohnehin sterbenden Industrie ein vergoldetes Ende bereiten würde.“
ClientEarth hat die BaFin gebeten, eine formelle Untersuchung einzuleiten und bei Bedarf eine Geldbuße zu verhängen, sowie sämtliche Angelegenheiten, die auf eine Straftat hindeuten, an die Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am 5. Oktober 2018 einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst durch RWE verfügt. In einer Ad-hoc-Mitteilung an seine Anleger gab RWE an, dass die Entscheidung des Gerichts das EBITDA "jährlich mit einem niedrigen dreistelligen Millionen Euro Betrag” belastet.
Im Anschluss an das Urteil sank der Aktienkurs deutlich ab, wie im Schreiben an die BaFin vermerkt ist:
"Der Kurs schloss am 4. Oktober 2018, also vor Veröffentlichung der Mitteilung, bei 20,43 €. Nach der Mitteilung vom 5. Oktober 2018 schloss der Kurs am gleichen Tag mit einem Minus von 8,5% bei 18,69€. Dieser Fall des Aktienkurses bedeutete einen Rückgang der Marktkapitalisierung von RWE in Höhe von über 1 Milliarde €. Der Aktienkurs fiel im Übrigen in den darauffolgenden Tagen weiter und schloss am 10. Oktober bei 17,11 €.“
In dem Brief verweisen die Anwälte auf "eine falsche und irreführende Ad-hoc-Mitteilung der RWE AG und damit einen mutmaßlich gravierenden Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz“.
Die Beschwerde wird unter Verweis auf den Bericht von Energy Brainpool wie folgt zusammengefasst:
"Aus den Gründen, die wir in diesem Schreiben darlegen, meinen wir, dass RWE mit seinem Verhalten gegen Artikel 15 MAR (Verbot der Markmanipulation) und Artikel 17 MAR (Veröffentlichung von Insiderinformationen) verstoßen und daher – bei Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit – eine Ordnungswidrigkeit und/oder eine Straftat nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) begangen hat.“
In der Woche nach der Mitteilung von RWE publizierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. (BUND NRW) eine Analyse, aus der hervorging, dass sich die von RWE mit der Gerichtsentscheidung in Verbindung gebrachte reduzierte Fördermenge mit aus der Überführung von Kraftwerksblöcken in die Sicherheitsbereitschaft resultierenden Reduktion in der Fördermenge deckt.
Der BUND NRW legte nahe, dass RWE bewusst die Drosselung der Kohleförderung auf die Gerichtsentscheidung und nicht auf die Sicherheitsbereitschaft zurückzuführen wollte, um dieses Bild in der Öffentlichkeit zu vermitteln und die Politik sowie die Gerichte beeinflussen zu wollen.
Investoren erhöhen den Druck auf Unternehmen, sich von der Kohle zu verabschieden. Ein breites Bündnis hat in diesem Jahr ein Schreiben in der Financial Times veröffentlicht, in dem sie ihre Erwartungen formulieren.
Braunkohlekraftwerke in Deutschland sind laut der Europäischen Kommission sieben der zehn größten Umweltverschmutzer in der EU.
Die sinkende Rentabilität von Braunkohle – insbesondere in Deutschland – wurde von Marktexperten bei Sandbag in ihrem aktuellen Bericht "The cash cow has stopped giving: Are Germany’s lignite plants now worthless?“ behandelt.