ClientEarth
21. Juni 2023
Alles Leben auf der Erde existiert dank der Natur. Wir sind auf Wälder, Flüsse, Meere und Böden angewiesen. Sie liefern uns die Nahrung, die wir essen, die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken und das wir zur Bewässerung unserer Felder brauchen. Die Natur ist die Grundlage für unsere Gesundheit, für unser Zusammenleben und auch für unsere Wirtschaft.
Doch allzu oft nehmen wir die Natur als selbstverständlich hin und beuten sie aus. Wir roden Wälder, überfischen Meere, verschmutzen Flüsse und bauen Feuchtgebiete zu, ohne ausreichend an die langfristigen Folgen zu denken. Als Gesellschaft haben wir es bisher versäumt, sorgsam mit unserer natürlichen Umwelt umzugehen.
Die Folge: Unsere Ökosysteme drohen zu kollabieren und unsere natürlichen Lebensgrundlagen sind in Gefahr.
Zurzeit verlieren wir Artenvielfalt in einem noch nie dagewesenen Tempo. Weltweit sind eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Der Zustand der Ökosysteme, von denen wir abhängen, verschlechtert sich schneller denn je. Auch in Europa ist die Situation der Tier- und Pflanzenwelt alarmierend: Über 80 Prozent der europäischen Lebensräume sind in schlechtem Zustand, der Artenrückgang ist in den letzten 60 Jahren auf 69 Prozent angestiegen.
Diese Zahlen sind besorgniserregend und der Grund, warum Wissenschaft, Wirtschaft und Umweltbewegungen sich zunehmend einig sind: Der Schutz und die Wiederherstellung der Natur müssen im Zentrum politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bemühungen stehen, um die biologischen Vielfalt zu stärken und dem Klimawandel zu begegnen. Beide Krisen sind untrennbar miteinander verbunden. Sie zu meistern wäre ein großer Schritt Richtung Resilienz und Zukunftssicherung.
Doch der Rückgang der biologischen Vielfalt in Europa ist so weit fortgeschritten, dass Maßnahmen zum Erhalt und Schutz der verbleibenden Natur nicht ausreichen, um unsere Ökosysteme zu stabilisieren und die Klimakrise zu bekämpfen.
Was wir brauchen, ist die Wiederherstellung der Natur und die Renaturierung verlorener Lebensräume.
Wir brauchen ein Gesetz, das eine langfristige Stärkung der Natur in der EU ermöglicht. Sonst wird sich der Verlust der biologischen Vielfalt weiter verschärfen – Bürger*innen und Wirtschaft werden den Preis dafür zahlen müssen.
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet die Wiederherstellung der Natur, die biologische Vielfalt in verschiedenen Ökosystemen wieder aufzubauen und einen bestimmten Anteil von Land- und Meeresflächen explizit für die Erholung der Natur zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft Wälder, Moore, Flüsse und Meere, aber auch städtische Lebensräume und landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Unsere natürliche Umwelt soll nicht nur geschützt werden, es geht vor allem darum, geschädigten oder zerstörten Ökosystemen zu helfen, sich zu erholen. Die Wiederbelebung natürlicher Lebensräume schützt nicht nur die Artenvielfalt und die Fähigkeit des Planeten, Kohlenstoff zu speichern, sondern sie ist auch eine Investition in unsere Sicherheit. Nachweislich kann eine intakte Natur zum Schutz vor Hochwasser, Erdrutschen und Waldbränden beitragen. Gesunde Ökosysteme machen uns insgesamt widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels, sie sind gut für unsere Gesundheit und schaffen zudem nachhaltige Arbeitsplätze und Möglichkeiten für den Ökotourismus.
Die EU hat erkannt, dass es dringend notwendig ist, die Natur nach Europa zurückzubringen, um die Biodiversitäts- und Klimakrise zu bewältigen. Bis 2050 will Europa klimaneutral werden – um dieses Ziel in Reichweite zu halten und zu konkreten Maßnahmen überzugehen, muss die Rolle der Natur stärker berücksichtigt werden.
Dies ist der Grundgedanke für den Gesetzesentwurf der EU-Kommission, der 2022 als Teil des „European Green Deal“ eingereicht wurde und die konkrete Renaturierung wichtiger Land- und Meeresflächen innerhalb der EU vorsieht.
Im Juni 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission einen lang ersehnten Vorschlag für ein EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das „EU Nature Restoration Law“. Der Vorschlag enthält rechtsverbindliche Ziele für alle EU-Mitgliedstaaten, um 20 Prozent der biologischen Vielfalt und der geschädigten Ökosysteme bis 2050 zurückzubringen. Wird dieses Gesetz verabschiedet, können geschädigte Meere, Wälder, Naturschutzgebiete und Flüsse wieder aufleben und damit auch unsere eigenen Lebensgrundlagen geschützt werden.
Es wäre das erste europaweite Gesetz, das rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur festlegt und eine einmalige Gelegenheit, die geschädigte Natur Europas wiederaufleben zu lassen! Doch es ist nicht nur eine einmalige Chance für die Natur, sondern auch für die EU, um ihre Pläne zur Klimaneutralität und Sicherung unserer Ernährungsgrundlagen umzusetzen.
Unsere Anwält*innen arbeiten seit über zwei Jahren eng mit anderen Umweltorganisationen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus verschiedenen Bereichen zusammen, um das Gesetz mitzugestalten und in seinem Umfang zu stärken. Wir sind außerdem Teil der #RestoreNature-Kampagne, die das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten im Rat dazu drängt, das vorgeschlagene Gesetz zur Renaturierung unverzüglich zu verabschieden und es dort zu verschärfen, wo es zur Bewältigung der aktuellen Biodiversitäts- und Klimakrise erforderlich ist. Wir verlangen von den Abgeordneten, auf die Wissenschaft zu hören und auch auf die Forderungen der Unternehmen und der zivilen Gesellschaft in ganz Europa einzugehen, die eine Rückkehr der Natur fordern.
Derzeit steht das Gesetz auf der Kippe. Konservative und rechtsgerichtete Parteien rufen offen zur Ablehnung des Gesetzes auf, senden Drohungen und versuchen die Zustimmung unter EU-Abgeordneten zu ersticken. Sie ignorieren damit den dringenden Handlungsbedarf und unser Recht auf eine gesunde Zukunft und intakte Natur.
Bis zu den Abstimmungen im Plenum des EU-Parlaments können Sie dabei helfen, ein klares Zeichen an Abgeordnete zu senden und sie aufzurufen, sich für ein starkes Gesetz einzusetzen: