Pressemitteilung: 20.09.2024
ClientEarth klagt gegen Bundesregierung für eine verbindliche Pestizidregelung
Die Umweltrechtsorganisation ClientEarth hat eine Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie gegen die Bundesregierung eingereicht. Grund für die Klage ist, dass die Regierung seit 13 Jahren die EU-Richtlinie zum Pestizidmanagement (Sustainable Use of Pesticides Directive, SUD) umsetzen müsste, dies aber bisher nicht getan hat. Pestizide sind schädlich für Mensch und Natur, besonders der Bestand bestäubender Insekten wie Bienen leidet immens.
Der derzeitige Einsatz von Pestiziden stellt ein Risiko für Mensch und Natur dar. Daher hat die SUD das Ziel, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren und die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes verpflichtend einzuführen. Eine verbindliche Regelung dazu würde endlich Klarheit für die Nutzung von Pestiziden schaffen und die Umstellung auf pestizidärmere Landwirtschaft fördern. Hierzu gehört auch, umwelt- und gesundheitsfreundlichere Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz zu fördern und zu etablieren.
ClientEarth Juristin Dr. Jennifer Seyderhelm erklärt: "Wir brauchen funktionierende Ökosysteme, denn sie dienen als Grundlage für unsere Ernährungssicherheit. Der intensive Einsatz von Pestiziden ist damit nicht vereinbar".
Klare, für alle verbindliche, Regeln beim Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft können dabei auch den Ackerflächen und deren Nutzung zugutekommen, wie aktuelle Untersuchungen zeigen. Dr. Seyderhelm: "Ein 'Weiter so' bei Pestiziden in Zeiten von Klima- und Biodiversitätskrise schadet Mensch und Natur und auch den Ernteerträgen. Eine Lösung muss Umweltfolgen, Ernährungssicherheit und damit auch die ökonomische Situation von landwirtschaftlichen Betrieben bedenken. Dafür braucht es politische Lösungen, und genau diese fordern wir mit unserer Klage ein." Dr. Seyderhelm dazu weiter: "Landwirt:innen werden von Politik und Behörden weitgehend damit alleingelassen, wie sie mit Pestiziden und ihren Auswirkungen umgehen sollen. Neben klareren Regelungen fehlen Beratung und Unterstützung."
In Deutschland werden große Mengen von Pestiziden produziert und in der Landwirtschaft als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Die Giftstoffe wirken aber nicht zielgenau und sind deshalb nicht nur für Schädlinge, sondern auch für andere Insekten, wie Bienen oder Schmetterlinge, tödlich. Die Biodiversität leidet immens darunter, zwischen 1989 und 2016 ist der Bestand bestimmter Insekten in Deutschland um bis zu 76 Prozent zurückgegangen. Viele Studien zeigen außerdem gesundheitliche Gefahren für den Menschen durch Pestizide, etwa ein erhöhtes Risiko, an Krebs oder Alzheimer zu erkranken und sogar eine erhöhte Kindersterblichkeit.
Die Entwicklungen zeigen, dass in Deutschland in den letzten Jahren mehr Pestizide gekauft wurden, obwohl weniger Fläche als Agrarland genutzt wird.
Hinweise an die Redaktion
Die SUD ist eine europäische Richtlinie aus dem Jahr 2009. Europäische Richtlinien müssen von den Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umgesetzt werden, um verbindliche Wirkung zu entfalten. Da die SUD bis Ende des Jahres 2011 umgesetzt hätte werden sollen und dies nicht passiert ist, besteht noch immer ein Umsetzungsdefizit, auf deren Schließung die Klage hinwirkt. Das Umsetzungsdefizit hätte durch eine Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden beseitigt werden können. Denn im Gegensatz zu Richtlinien, gelten Verordnungen unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Der Entwurf einer solchen Verordnung ist allerdings im November 2023 im Europaparlament gescheitert.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Pestizide negative Auswirkungen auf Natur und Mensch haben:
In Deutschland ist die Population bestimmter Insekten beispielsweise zwischen 1989 und 2016 um 76% zurückgegangen.
Der Einsatz von Pestiziden hat schädliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt des Bodens und von Gewässern.
Wenn Ökosysteme nicht mehr funktionieren, weil zum Beispiel Pflanzen nicht mehr zuverlässig bestäubt werden, schmälert das auch Ernteeinträge wie eine jüngste Studie zeigt.
Studien legen zudem nahe, dass Pestizide der menschlichen Gesundheit schaden: Ein Zusammenhang zu Beeinträchtigungen des Hormonhaushalts, neurologischen Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer und Atemwegserkrankungen ist durch Studien belegt. Kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen steigendem Pestizideinsatz und einer steigenden Säuglingssterblichkeit belegt.
Pressekontakt:
Johanna Famulok, Tel.: +49 (0) 30 31193677
Über ClientEarth – Anwälte der Erde:
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