Pressekommentar: 29. März 2023
Klimarechtler: Pläne der Ampel zur Aufweichung der Sektorziele im Klimagesetz könnten vor dem Bundesverfassungsgericht landen
Die Parteien der Ampelkoalition haben sich gestern auf eine Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Die jährlich verbindlichen Sektorziele sollen dabei offenbar aufgeweicht werden. Eine kürzlich erschienene rechtliche Studie der Umweltrechtsorganisationen ClientEarth und Green Legal Impact (GLI) kam jedoch zum Ergebnis, dass diese nicht ersatzlos gestrichen werden dürfen.
Die Erklärung des Bundeskanzlers Olaf Scholz im Bundestag zur geplanten Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes kommentiert Prof. Dr. Hermann Ott, Leiter des deutschen Büros von ClientEarth wie folgt:
„Dass eine Regierung, die angeblich von einem Klimakanzler angeführt wird, bei der gesetzlichen Regelung des Klimaschutzes trotz aller Rhetorik im Koalitionsvertrag hinter den Ambitionen der Großen Koalition zurückfällt, ist erschreckend. Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) dient der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zu effektivem Klimaschutz und definiert die dafür zu erreichenden jährlichen Reduktionsziele für die jeweiligen Sektoren. Diese jetzt aufzuweichen, weil einige Minister ihre Arbeit nicht gemacht haben, ist ganz schlechter Stil. Denn diese Ziele sollten ja gerade Druck auf die einzelnen Ministerien ausüben! Als Umweltrechtsorganisation kommen wir zu dem klaren Ergebnis, dass diese sektoralen Ziele aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht ersatzlos wegfallen dürfen. Einen Vorschlag für einen adäquaten Ersatz konnten wir im vorliegenden Koalitionsvorschlag nicht finden.“
„Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Klima-Beschluss von 2021 eine klare Verpflichtung des Staates zu effektivem Klimaschutz, zur Sicherung von Freiheitschancen in der Zukunft und zum Erreichen selbstgesetzter Klimaziele festgestellt. Dieser Beschluss besagt auch deutlich, dass diese Verpflichtungen nicht in die Zukunft verschoben werden dürfen. ClientEarth wird genau darauf achten, die Bundesregierung aus dieser Pflicht nicht zu entlassen. Sollte diese eine Novelle des Klimagesetzes vorlegen, die diesen Vorgaben nicht genügt, könnte diese sehr schnell vor dem Bundesverfassungsgericht landen.“
„Konkrete, quantifizierte, jahres- und sektorspezifische Ziele sind eine notwendige Voraussetzung für ambitionierten und effektiven Klimaschutz. Die selbstgesteckten Klimapflichten des Staates und die tatsächliche Performance driften ohnehin seit Jahren zunehmend auseinander. Das Erreichen der Zielmarken für 2030 liegt jetzt schon weit außer Reichweite. Um das zu ändern, brauchen wir schärfere rechtliche Regelungen, wie die Ziele in der Praxiserreicht werden können – und sicherlich keine weitere Aufweichung.“
In der am 13. März 2023 veröffentlichten juristischen Kurzstudie „Ohne Ziele kein Klimaschutz – Sektorziele im Bundes-Klimaschutzgesetz und ihre Einhaltung in der Behördenpraxis“ fordern ClientEarth und Green Legal Impact Regelungen, die zu einer effektiven Implementierung von Klimaschutz bei der behördlichen Entscheidung über CO2-intensive Vorhaben führen.
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Über ClientEarth – Anwälte der Erde
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