Gemeinsame Pressemitteilung: 20. April 2021
LNG-Pläne der Bundesregierung: Neues Gutachten offenbart erhebliche Zweifel an Verfassungsmäßigkeit
- Die Umweltorganisationen Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), ClientEarth – Anwälte der Erde und Green Legal Impact (GLI) haben heute ein Rechtsgutachten zum LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) veröffentlicht.
- Die Autorinnen bezweifeln, dass das LNGG mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot im Einklang steht — vor allem weil die Bundesregierung von einem stark überdimensionierten erwartbaren Bedarf an Flüssiggas-Terminals ausgeht.
Berlin/Brüssel. Ein heute veröffentlichtes Rechtsgutachten von Green Legal Impact (GLI) und ClientEarth in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt erhebliche verfassungsrechtliche Probleme des „Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases“ (LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG) vom Mai letzten Jahres auf. In dem Gesetz hatte die Bundesregierung festgestellt, dass rund 12 neue Flüssiggas-Terminals notwendig seien, um die Energieversorgung in Deutschland sicher zu stellen. Behörden und Gerichte werden durch das Gesetz dazu gedrängt, die LNG-Projekte möglichst problemlos durchzuwinken. Unabhängige wissenschaftliche Studien zeigen aber, dass die LNG-Pläne der Bundesregierung den tatsächlichen Energiebedarf weit übersteigen und die Klimakrise weiter befeuern. Im Rechtsgutachten der drei Umweltorganisationen wird geprüft, ob die Regelungen des LNGG mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Marie Bohlmann, Rechtsexpertin von Green Legal Impact (GLI) kommentiert: „Im LNG-Gesetz hatte der Klimaschutz bei der Abwägung mit der Versorgungssicherheit deutlich das Nachsehen. Nicht nur ist der zugrunde gelegte Bedarf unvollständig bzw. unzutreffend ermittelt worden, die verfassungsrechtlich gebotene umfassende und nachvollziehbare Abwägung mit Klimaschutzbelangen wurde ebenfalls nicht vorgenommen. Es ist zu befürchten, dass der Klimaschutz bei Entscheidungen von Behörden und Gerichten gerade aufgrund des LNGG zu kurz kommt und dadurch Überkapazitäten aufgebaut werden. Damit würde Deutschland jedoch gegen seine verfassungsmäßige Pflicht verstoßen, Freiheitsrechte in der Zukunft zu wahren – wie im Klimabeschluss des Verfassungsgerichts von 2021 gefordert.“
Paula Ciré, Umweltjuristin bei ClientEarth ergänzt: „Mit dem LNGG verstößt der deutsche Gesetzgeber gegen seine verfassungsrechtlichen Pflichten, die Klimakrise zum Schutz von Leben und Gesundheit effektiv zu bekämpfen. Das LNGG stellt nicht sicher, dass die erheblichen Klimaeffekte von LNG bei Behördenentscheidungen über Umfang und Dauer der Terminal-Zulassungen eine maßgebliche Rolle spielen. Auch konterkariert der deutsche Staat mit dem LNGG seine internationalen Klimaschutzbestrebungen. Für andere Staaten wird ein Anreiz gesetzt, fossile Gasgewinnung weiterzuführen oder sogar auszuweiten. Das ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Olaf Bandt, Vorsitzender Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fügt hinzu: „Das LNG-Beschleunigungsgesetz muss jetzt einem Klimastresstest unterzogen und umfassend novelliert werden. Die Belange des Klimaschutzes müssen gestärkt werden und sollten in der Genehmigungspraxis der Behörden das nötige Gewicht erhalten. Eine alleinige Fokussierung auf die Versorgungssicherheit mit dem Ergebnis großer Überkapazitäten ist nicht mehr vertretbar. Die Liste der geplanten LNG-Terminals muss gekürzt werden, anstatt über die Aufnahme weiterer Vorhaben zu diskutieren.“
Hintergrund:
Im „Rechtsgutachten zum LNG-Beschleunigungsgesetz“ der drei Umweltorganisationen wird geprüft, ob die Regelungen des LNGG mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Autorinnen gehen davon aus, dass die Bedarfsfeststellung in § 3 S. 2 in Verbindung mit weiteren Regelungen des LNGG künftige grundrechtlich geschützte Freiheitsrechte gefährden, indem sie das CO2-Restbudget irreversibel zu verkleinern drohen.
Gute Argumente sehen die Umweltrechtsexpert*innen zudem dafür, dass der Gesetzgeber durch das LNGG seine grundrechtlichen Schutzpflichten verletzt hat, da die darin enthaltenen Regelungen im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Pflicht stehen, nicht erforderliche Emissionen zu unterbinden. Insgesamt kommt die Untersuchung zum Ergebnis, dass insbesondere wegen der unzureichenden Berücksichtigung des Klimaschutzes bei der Realisierung künftiger LNG-Projekte erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelungen des LNGG mit dem Grundgesetz bestehen. Die Behörden müssen – entgegen der Wertungen des Gesetzgebers – bei der Zulassung der Terminals den Klimaschutz hinreichend berücksichtigen.
Über Green Legal Impact (GLI)
Green Legal Impact Germany e.V. stärkt das Recht als strategisches Mittel für den Umweltschutz. Zusammen mit Anwält*innen unterstützen wir Verbände, Bürgerinitiativen und Aktivist*innen bei juristischen Fragen. Dazu vernetzen und bilden wir sowohl die Akteure selbst zu ihren juristischen Fragen fort als auch ihre Anwält*innen. Vision ist eine starke Zivilgesellschaft als Teil einer funktionierenden Demokratie und eines starken Rechtsstaats. Green Legal Impact Germany e.V. tritt nicht in Konkurrenz zu etablierten NGOs und deren umweltrechtlichen Expertisen und Arbeitskreisen. Stattdessen will der Verein die systematische, bislang kaum erfolgte Koordination und Moderation zu den Themen Gerichtszugang, strategischen Klagen und Defend the Defenders oder Themen innerhalb bestehender und möglicher Klagen anbieten und durchführen.
Über ClientEarth – Anwälte der Erde
ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt um die Erde und ihre Bewohner*innen zu schützen. Zusammen mit Bürger*innen und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteur*innen in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.
Über den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Umwelt schützen. Natur bewahren: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verband, der auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene arbeitet. Er setzt sich ein für den Schutz unserer Natur und Umwelt – damit die Erde für alle, die auf ihr leben, bewohnbar bleibt. Aktuell wird der BUND von 674.000 Menschen unterstützt. Als einer der größten föderal strukturierten deutschen Umweltverbände hat er 16 Landesverbände und rund 2000 Kreis- und Ortsgruppen. Der BUND ist Mitglied des internationalen Netzwerks Friends of the Earth International (FoEI) und hat Partnerorganisationen in rund 70 Ländern.