Pressemitteilung: 07. Dezember 2023
Zurück in die erste Instanz: Kohlekraftwerk Datteln IV wird weiter verhandelt
Heute hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) erneut über den Bebauungsplan für das Kraftwerk Datteln IV entscheiden muss. Auf eine Klage des BUND Nordrhein-Westfalen und der Anwohner*innen aus Datteln, die ClientEarth unterstützt, hatte das OVG zuletzt 2021 geurteilt, dass der Bebauungsplan unwirksam sei. Diesem Urteil zufolge würde ein rechtlicher Kernpfeiler für das Kohlekraftwerk wegbrechen. Kraftwerksbetreiber Uniper und die Stadt Datteln sind gegen dieses Urteil in Revision gegangen und diese wurde heute für begründet befunden.
Für die Anwohner*innen, die durch das Kraftwerk gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind, heißt es nun auf die nächste Verhandlung warten. „Unser Durchhaltevermögen wird weiter auf die Probe gestellt. Ich bin enttäuscht und hätte mir in diesem jahrzehntelangen Rechtsstreit endlich Gewissheit gewünscht“, sagt der Anwohner Rainer Köster, der seit über einem Jahrzehnt gegen das Kraftwerk klagt. Doch nicht nur Anwohner*innen sind den Gefahren durch die Emissionen des Kraftwerks ausgesetzt: In unmittelbarer Nähe des Kraftwerks befindet sich auch eine große Kinderklinik.
ClientEarth-Juristin Francesca Mascha Klein ist weiterhin davon überzeugt, dass der Bebauungsplan rechtswidrig ist. Nun hofft sie auf eine effiziente Fortführung des Verfahrens. „Es ist ein Rennen gegen die Zeit”, so Klein, „Je länger das Verfahren dauert, desto länger läuft auch das Kraftwerk und desto mehr Treibhausgase und Schadstoffe stößt es aus”.
Hinweise an die Redaktion:
Der Uniper-Kraftwerksblock Datteln IV ging Ende Mai 2020 ans Netz – trotz des beschlossenen Kohleausstiegs.
Die zwei entscheidenden rechtlichen Grundlagen sind
- der vorhabenbezogene Bebauungsplan (um welchen es in diesem Verfahren geht)
- die Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
Gegen beide laufen Verfahren - u.a. wegen der gesundheitlichen Gefahren für Anwohner*innen.
- Das Kraftwerk ist nur 500m von einem Wohnviertel und 1000m von der größten Kinderklinik in Recklinghausen entfernt.
- 8,4 Mio. Tonnen CO2 werden pro Jahr durch den Steinkohleblock emittiert.
- Auch Schadstoffe wie Quecksilber, Arsen, Blei und Cadmium werden über Luft und Wasser freigesetzt.
- Diese Stoffe erhöhen die Wahrscheinlichkeit, unter Krebs, Gehirn- und Nervenschäden sowie Herzkreislauferkrankungen zu leiden.
- Auch Legionellen gelangen über die Kühlturmtröpfchen in die Luft und können eingeatmet werden und so zu schweren Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündungen sowie Todesfällen führen
Bereits 2009 entschied das OVG NRW, dass die Planung am vorgesehenen Standort gegen Ziele der Raumordnung verstoße. Die Bezirksregierung Münster erließ daraufhin einen Teilbaustopp. 2010 wies das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde von Betreiber E.ON und der Stadt Datteln gegen die Nichtzulassung zurück. Ein Baustopp für weitere Bereiche wurde beschlossen. Ein neues Bebauungsplanverfahren wurde begonnen, das 2014 mit einem neuen Bebauungsplan und einem Flächennutzungsplan endete. Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wurde beantragt. Die Bezirksregierung Münster erteilte 2017 dem inzwischen neuen Betreiber Uniper die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Der Bau wurde fertiggestellt. Uniper klagte derweil gegen die Auflagen bezüglich der Quecksilber-Emissionen, welche daraufhin angehoben wurden. Im August 2021 stellte das OVG NRW fest, dass der Bebauungsplan der Stadt Datteln aufgrund einer fehlerhaften Standortauswahl unwirksam ist.
Uniper wurde im September 2022 verstaatlicht. Aufgrund von EU-Auflagen ist das Kraftwerk bis Ende 2026 zu verkaufen.
Über ClientEarth – Anwälte der Erde
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